Netzwerke: ein neuer Weg im Fernstudium

Ulrich Bernath und Axel Kleinschmidt

in: UNI-INFO, hrsg. Pressestelle der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 22. Jhrg. 4/95, S. 5


Fernstudienprogramme und deren Entwicklung sind nicht nur spezialisierten Fernuniversitäten vorbehalten. Die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg liefert hierfür ganz hervorragende Beispiele und sieht sich mit ihren eigenen Entwicklungen durch die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Fernstudium vom November 1992 nachdrücklich bestätigt.

Die Universität Oldenburg hatte sich im Jahre 1978 mit der Errichtung eines Fernstudienzentrums die Wege eröffnet, neben der konventionellen Präsenzlehre auch das Fernstudium zu fördern. In Kooperationsbeziehung zur nordrhein-westfälischen FernUniversität - Gesamthochschule - in Hagen wurden neuartige Konzepte für die studienbegleitende Beratung und die fachliche Betreuung der Fernstudierenden durch Mentorinnen und Mentoren in den Fächern Wirtschaftswissenschaft, Mathematik, Informatik, Elektrotechnik sowie in den Sozial-, Erziehungs- und Geisteswissenschaften entwickelt. Derzeit ist das Fernstudienzentrum in diesem Aufgabenfeld für über 700 Fernstudierende verantwortlich.Daneben hat sich das Fernstudienzentrum an der Entwicklung von Fernlehrprogrammen mit Wissenschaftlern der verschiedensten Fachrichtungen beteiligt, die die typischen Dimensionen des Fernstudiums besitzen, sich aber von den Modellen der spezialisierten Fernuniversitäten unterscheiden.

Fernstudienprogramme sind dadurch charakterisiert, daß sie prinzipiell an jedem Ort und zu jeder Zeit stattfinden können. In der Regel ist mit ihrer Entwicklung ein höherer Produktionsaufwand verbunden, der seine Effizienz durch eine möglichst große Zahl der Studierenden erzielt. Die Großorganisationen spezialisierter Fernuniversitäten mit ihren fünf- bzw. sechsstelligen Studierendenzahlen erweisen sich daher als naheliegender Lösungsansatz. Große Zahlen Fernstudierender sowie ein orts- und zeitunabhängiger Zugang zu den Fernlehrangeboten sind aber auch in Netzwerken von Hochschulen und deren Wissenschaftlern erreichbar.In diese Richtung gingen die Eigenentwicklungen an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg:

Zum Beispiel bilden die Fernlehreinheiten des Oldenburger Entwicklungsteams der "Psychologischen Gesundheitsförderung" die Grundlagen für eigenverantwortliche Studienprogramme an anderen, im Prinzip beliebig vielen Hochschulstandorten. Die Fernlehreinheiten sind als Module für ein denkbares nebenberufliches Studium für Pflegekräfte entwickelt worden. Sie werden von Universitäten in Berlin, Bern, Hamburg, Hildesheim, Frankfurt, Karlsruhe, Kaiserslautern und Koblenz-Landau in halb- bzw. einjährigen Weiterbildungsprogrammen eingesetzt und erreichten bereits über 600 Teilnehmende. Das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V. in Neu-Isenburg hat die Zusammenarbeit mit dem Fernstudienzentrum der Universität Oldenburg und dem bestehenden Netzwerk gesucht, um eine weiterentwickelte Version der "Psychologischen Gesundheitsförderung" mehr als 1.000 seiner Pflegekräfte als ein Fernstudienprojekt zur Weiterbildung anzubieten.

Ähnliche quantitative Dimensionen erzielt das "Kleeblatt Mathematik" des Fernstudienzentrums. Hier handelt es sich um studienvorbereitende und -orientierende Programme zur Mathematik im Anwendungszusammenhang wissenschaftlicher Disziplinen, die in dem Oldenburger Projekt "GruZi" für Grundwehrdienst- und Zivildienstleistende entwickelt wurden und inzwischen in einem Netzwerk von Universitäten in Hamburg, Karlsruhe, Koblenz-Landau und Saarbrücken verbreitet werden. Der Transmedia-Verlag der Bundesanstalt für Arbeit hat aus den Lehrtexten des "GruZi-Kleeblatts Mathematik" ein Selbsterkundungsmaterial "Studium und Mathematik" herausgegeben, das mit einer Startauflage von 20.000 Exemplaren jüngst auf den Markt gekommen ist. Weitere mathematische Studienvorbereitungsprogramme des Fernstudienzentrums erfreuen sich großen Interesses der Studierenden an den Fachhochschulen in Emden, Oldenburg, Bremen und Braunschweig-Wolfenbüttel.

In den genannten Netzwerken der Fernstudieneinrichtungen an Universitäten in Deutschland finden abgestimmte, aber doch in dezentraler Verantwortung durchgeführte Lehr- bzw. Weiterbildungsprogramme statt. Die Netzwerkpartner handeln die Bedingungen für die Zusammenarbeit und Zertifizierungsstandards aus und beteiligen sich an einem dauerhaften Erfahrungsaustausch.

In einer neuesten Entwicklung hin zu flexibleren Netzwerkmodellen im Fernstudium wird die Verknüpfung des Kooperationsmodells autonomer Hochschulen mit dem hierarchischen Modell der zentralen Fernuniversitäten praktiziert. Das Fernstudienzentrum beteiligt sich an der Entwicklung eines Studiengangs European Master of Business Administration (EURO MBA), der aus einem Fernstudium und sechs kompakten Seminarwochen an sechs verschiedenen europäischen Orten bestehen wird. Den EURO MBA werden die niederländische Open universiteit und das Institut d'Administration des Enterprises (IAE) Aix-Marseille III verleihen. Für den deutschen Beitrag wird die Akademie für Weiterbildung Delmenhorst e.V. die Trägerschaft übernehmen Der Start dieses Programms ist für den Herbst diesen Jahres geplant.


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